05. February 2025

Atmosphären - Die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Raum

Ivo Christow - Krucker Partner AG
Kolumne Hotelière Ausgabe Nr.6 2024

Wir sprechen schnell einmal von einer «schönen oder an­genehmen Atmo­sphäre», doch was ist damit eigentlich gemeint und wie errei­chen wir eine solche? 

Faszinierend ist, dass Räume oder Umge­bungen immer mit uns kommunizieren. Nicht durch Worte, sondern durch visuel­le, haptische und emotionale Reize. Sie sprechen unsere Sinne an. Diese Form der Kommunikation gibt uns Aufschluss über Funktionalität, bestimmt die Art und Weise wie wir den Raum nutzen, wie wir uns darin bewegen und ob wir uns wohl­fühlen oder nicht. Sobald Menschen irgendwo eintreten und mit all ihren Sin­nen wahrnehmen, entsteht eine Atmo­sphäre. Wir spüren Atmosphären, denn sie sind stark mit unserer persönlichen Wahrneh­mung verbunden. Alle kennen die Existenz und sie ist auch für alle zugänglich. Das Spürbare lässt sich aber nur sehr schwer in Worte fassen, geschweige denn ist dessen Wirkung messbar. 

Primär bezeichnet das Wort «Atmo­sphäre» eigentlich die gasförmige Hülle um unsere Erde. Aus dem griechischen Atmos ‹Dampf, Dunst, Hauch und Sphäre/sphaira› Kugel. Doch finden wir Atmo­sphären auch in der Ästhetiklehre. Dieses «Dazwischen» ist für uns spürbar, aber flüchtig und befindet sich quasi in einem speziellen, luftleeren Raum. Der Philosoph Gernot Böhme sieht die Atmosphäre als das, was sich zwischen einem Subjekt und einem Objekt befindet, oder auch zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahr­genommenen. Sozusagen eine Wechsel­wirkung oder ­Beziehung zwischen dem Menschen und Material oder Raum. 

«Räume interagieren mit uns durch Atmosphären»
 

Die Atmosphäre wirkt unbewusst auf un­sere Emotionen und unser Verhalten. Wir können sie durch bewusste Gestaltungs­elemente wie Licht, Farben, Geräusche und soziale Interaktionen aktiv beeinflussen, um die gewünschte Stimmung zu erzeugen – sei es für Entspannung, Produktivität oder Geselligkeit. Aus dem Blickwinkel eines Architekten oder Innenarchitekten ist die Entstehung und Erzeugung einer Atmosphäre wichtig, um die gewünschte Wirkung  zu erzielen. Wie können Räume gestaltet und Umgebungen geschaffen werden, die eine affektive Betroffenheit auslösen? Da für die Wahrnehmung einer Atmosphäre alle Sinne aktiviert sind, spielt eigentlich auch alles, was diese beeinflusst, eine Rolle. Licht, Material, Textur, Farben, Formen, Raumgrössen und ­Aufteilungen, Akustik, Schall, Duft und Gerüche. Hinzu kommen auch die generelle Nutzung und die Funktionalität des Raumes. Parallel dazu haben wir Gesetze und Reglemente, die eingehalten werden müssen. Die eigent­liche Kunst besteht nun darin, die pas­sende Kombination aus den Möglichkeiten zu implementieren, um dann die gewünschte Stimmung bei den Menschen auslösen zu können. Angesichts der vielen Möglichkeiten eine hochkomplexe und vielschichtige, aber durchaus spannende Aufgabe. 

In der Ästhetiklehre ist die Atmosphäre ein massgebendes Konzept, das das Wechselspiel zwischen Wahrnehmung, Sinneseindrücken und der emotionalen Wirkung eines ästhetischen Erlebnisses beschreibt. Sie übermittelt das subjektive Erleben von Architektur und Umgebun­gen. Wenn wir es schaffen, möglichst viele Sinne positiv anzusprechen und in Ein­klang zu bringen, schaffen wir angenehme und schöne Atmosphären.

 

Ivo Christow
Head of Design & Mitglied der Geschäftsleitung 
Krucker Partner AG